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Anhand von verschiedenen Einzelfällen soll aufgezeigt werden, welchen hohen Stellenwerten Orden und Ehrenzeichen hatten und unter welchen Bedingungen sie wieder entzogen werden konnten. Bei einigen Fällen wundert man sich vielleicht über die Schwere der Strafe im Vergleich zur Tat (Feindsender hören). Es waren jedoch immer Einzelfallentscheidungen und nicht immer musste jemand dafür auch verurteilt worden sein. Teilweise reichte es auch einfach als unwürdig angesehen zu werden.
Entzug der Medaille für die Rückkehr des Memellandes
Dem Matrosen d.R. Herbert wurde am 21. November 1939 dieMemelland Medaille verliehen. Nach Kriegsbeginn erhielt er außerdem noch
- das Eiserne Kreuz 2. Klasse
- das Zerstörerkriegsabzeichen
- die Sudeten Medaille
Herbert wurde am 24. März 1942 aus der Wehrmacht entlassenund der Geheimen Staatspolizei Danzig übergeben. Die Gründe hier wurden leidernicht vermerkt, nur das der „Matrose Herbert in ein Konzentrationslagerüberführt wurde…“
Die vorgenannten Abzeichen wurden ihm durch denOberbefehlshaber der Kriegsmarine entzogen. Die Abteilung MPA I(Marinepersonalamt) schreibt daraufhin an den Staatsminister und Chef derPräsidialkanzlei mit der Bitte
„…gleichfalls die Medaille zur Erinnerung an die Heimkehrdes Memellandes zu entziehen.“
Die Präsidialkanzlei kam dem nach und verlangt die Medaillesamt Besitzzeugnis einzuziehen und zuzuleiten. Das Besitzzeugnis wurde dannvernichtet und der entsprechende Eintrag des Matrosen Herbert in derVorschlagsliste wurde gestrichen.
Quelle: BArch Bestand R601-1464
Entzug des Schutzwall Ehrenzeichen
Die Zentrale der Organisation Todt leitet ein Schreiben an die Präsidialkanzlei weiter bezüglich des Entzuges des Schutzwall Ehrenzeichen. Grund für den Entzug war ein Schreiben des OT- Einsatzstab Frontführung vom 12. April 1942 in dem es heißt:
An die
Org.Todt-Zentrale
Ordenskanzlei
Berlin-Charlottenburg
Betr.: Frontarbeiter Fritz G e y e r,
geb. 17.2.97
Bezug: G.I.v.28.11.41 Abt.Wiesbaden
E/Z.30
Anlg: 1 Brief mit
Westwall-Ehrenzeichen und Urkunde
Zu dem o.a.B. teile ich Ihnen mit:
Der Frontarbeiter Fritz G e y e r war bis zum Februar 1942 im hiesigen Abschnitt tätig. Wegen seines andauernd unkameradschaftlichen Verhaltens anderen Arbeitskameraden gegenüber, sowie der seinen Vorgesetzten gegenüber gezeigten Disziplinlosigkeit wurde er aus dem Einsatz entfernt und Berlin zur Verfügung gestellt.
Auf dem Wegen nach Berlin wurde Geyer wegen staatsfeindlichen Äußerungen, wie aus einer Meldung der Gefolgschaftsführung in Tomaschow hervorgeht, der Gestapo übergeben, die ihn dann wieder freiließ, weil Geyer nicht mehr in einem staats- und wehrwichtigen Betrieb beschäftigt wird.
Die Entscheidung, ob die Voraussetzungen zur Verleihung des Westwall-Ehrenzeichens noch gegeben sind, überlasse ich Ihnen.
i.A.
gez.
Unterschrift
SS-U-Sturmführer
Die Präsidialkanzlei antwortete auf das Schreiben der Organisation Todt am 24. April 1942 wie folgt:
„… Der Führer hat das dem Hilfsarbeiter Fritz G e y e r in
Karlsruhe am 23. Januar 1941 verliehene Deutsche- Schutzwall-Ehrenzeichen auf
Grund Ihres Schreibens vom 20. April 1942 entzogen…“
Das Schutzwallen
Ehrenzeichen wurde daraufhin wieder den Beständen zugeführt, das Besitzzeugnis
vernichtet und die entsprechende Vorschlagliste
geändert.
Fall 2
Ein weiteres Fall wo es zu keiner Verurteilung durch ein
Gericht gekommen ist, sondern der Betreffende aufgrund seines Verhaltens als
nicht würdig eingestuft wurde um eine solche Auszeichnung tragen zu
dürfen.
Aus dem Schreiben der NSDAP Kreisleitung Schleiz in Thüringen vom 17. September 1940 an das Arbeitsamt Saalfeld:
„… Laut Ihrem Schreiben vom 15.7.1940 soll Schraepel das Westwallehrehrenzeichen ausgehändigt werden. Die Ortsgruppe Wurzbach hat gegen die Aushändigung Bedenken.
Schraepel hat sich seit Jahren dem Trunke ergeben, daß er seine Familie vollständig vernachlässigt. Wiederholt habe er wochenlang nichts gearbeitet, sondern nur getrunken. Er wurde auch schon einmal zur Heilung in eine Anstalt gebracht. Seinen Verdienst setzt er immer wieder in Alkohol um, während er seine Frau mit ihren drei Kindern kein Wirtschaftsgeld auszahlt. Schraepel hat sogar schon die Kinderbeihilfe abgeholt und vertrunken.
Aus dieser Handlung ist zu ersehen, daß sein Charakter nicht der Verantwortlichkeit der nationalsozialistischen Weltanschauung entspricht. Ich bitte darum, bei der zuständigen Dienststelle anzufragen, ob unter diesen Umständen dem Genannten das Westwallehrenzeichen ausgehändigt werden kann…“
Die Präsidialkanzlei antwortet bezugnehmend auf dieses Schreiben am 9. Februar 1942 an den Generalinspektor für das deutsche Straßenwesen:
„… Der Führer hart das dem Zimmerman Ernst Schraepel in Wurzbach verliehene Deutsche Schutzwall-Ehrenzeichen auf Grund Ihres Schreibens vom 5. Februar 1942 entzogen.
Ich bitte, das Ehrenzeichen und das Besitzzeugnis des Vorgenannten einzuziehen und mir alsbald nach Erhalt unter Bezugnahme auf obenstehende Tagebuchnummer zuzuleiten. Um die in Betracht kommende Vorschlagsliste berichtigen zu können, bitte ich um Angabe der Nummer der Vorschlagsliste in der Schraepel verzeichnet ist…“
Fall 3
Ein ebenfalls interessanter Grund der zum Entzug des Schutzwall-Ehrenzeichen und zur Verurteilung geführt hat zeigt ein Schreiben des Polizeipräsidenten an den Chef der Reichskanzlei vom 29. April 1943, in dem es heißt:
… Der am 19. Juli 1885 in Dresden geborene, in Krögis bei Meißen Nr. 16, wohnhafte Baurarbeiter Arthur M i e r s c h ist durch Urteil des Sondergerichts 2 bei dem Landgericht Dresden vom 8. Januar 1943 wegen Abhörens ausländischer Sender und Verbreiten ihrer Nachrichten zu drei Jahren und sechs Monaten Zuchthaus und zum Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte auf die Dauer von vier Jahren verurteilt worden.
Miersch war im Besitze des ihm am 22. August 1940 verliehenen Deutschen Schutzwall-Ehrenzeichens.
Nach Mitteilung der Organisation Todt erfolgte der Vorschlag zur Verleihung dieser Auszeichnung in der Vorschlagsliste Nr. 3237 und Pos. 267.
In den Anlagen reiche ich das Deutsche
Schutzwall-Ehrenzeichen sowie das dazugehörige Besitzzeugnis zurück
Fall 4
Schreiben des Polizeipräsidenten vom 26. März 1943 an die Präsidialkanzlei
… der am 2.November 1912 in Wuppertal-Elberfeld geborene, in Wolfenbüttel,Schloßplatz 11, wohnhafte Anstreicher Heinrich B o h r ist durch Urteil des Strafkammer (Jugendschutzkammer) des Landgerichts Braunschweig vom 23.November 1942 als gefährlicher Gewohnheitsverbrecher wegen fortgesetzter Unzucht mit einem Kinde in Tateinheit mit Verführung eines Jugendlichen zur Unzucht, wegen eines weiteren Falles der Verführung eines Jugendlichen zur Unzucht und wegen Versuches eines solchen Verbrechens zu einer Gesamtstrafe von drei Jahren und sechs Monaten Zuchthaus verurteilt worden. Dem Angeklagten werden die bürgerlichen Ehrenrechte auf Dauer von fünf Jahren aberkannt. Seine Entmannung wird angeordnet. Fall 5
Schreiben des Polizeipräsidenten vom 22. Oktober 1943 an die Präsidialkanzlei
… Der am 23.12.1912 in Kaiserlautern geborene, in Mansfeld,
Töpferreihe 4 wohnhafte Arbeiter Friedrich D a u t ist durch Urteil des
Sondergerichts I in Halle (S.) am 25.6.19343 Entwendung von Löffeln aus einer
im Kriege veranstalteten Sammlung als rückfälliger Dieb und Volksschädling zu
drei Jahren Zuchthaus und drei Jahren Ehrenverlust verurteilt worden.
Fall 6
Schreiben des Polizeipräsidenten vom 09. März 1944 an die Präsidialkanzlei
… Der am 4. Juni 1887 in Essen geborene, dasselbst, Mozartstr. 50, wohnhafte Stadtsekretär a.D. Hermann K l e i n m a n n ist durch Urteil der Jugendkammer des Landgereichtds in Essen am 26.Oktober 1943 -26 KLs 43/43- zu sechs Jahren Zuchthaus und sechs Jahren Ehrverlust verurteilt worden, weil er acht männliche Personen unter 21 Jahren verführt hat, mit ihm Unzucht zu treiben oder sich von ihm zur Unzucht mißbrauchen zu lassen. Er verbüßt die Strafe im Zuchthaus Werl. i.W Fall 7
Schreiben des Polizeipräsidenten vom 06. April 1944 an die Präsidialkanzlei
… Der am 3. April 1897 in ST.Georgen/Schw. Geborene, in
Villingen im Schwarzwald, Schillerstr. 10, wohnhafte ehemalige Kreisobmann der
DAF. Und Feinmechanikermeist Karl L e h m a n n z. Zt. In Strafhaft im
Gefangenenlager Rodgau, Lager I, in Dieburg/Hessen, ist durch Urteil des
Sondergerichts in Freiburg/Br. Vom 12. September 1943 wegen fortgesetzten
unbefugten Bezugs von Lebensmittelkarten und Benzin zu zwei Jahren und drei
Monaten Zuchthaus und zwei Jahren Ehrverlust verurteilt worden.
Fall 8
… Der am 21. August 1902 in Steigr. Krs. Querfurt, geborene
in Freyburg/Unstrut, Kleine Oberstr. 20, wohnhafte Arbeiter Selmar K ö n i c k
e ist durch Urteil des Sondergerichts Halle/Saale vom 24. März 1944
-2aSG.Ls.36/44 – als Volksschädling zu einem Jahr drei Monaten Zuchthaus und
zwei Jahren Ehrverlust, verurteilt worden, weil er mehrere Reisefleischmarken,
die von feindlichen Fliegern abgeworfen worden waren, unterschlagen und in
Verkehr zu bringen versucht ha
t.
Fall 9
Schreiben des Polizeipräsidenten vom 20. Juni 1944 an die Präsidialkanzlei
…Der am 13. August 1910 in Bliesenransbach, Krs.Saarbrücken,
geborene, Nietleben (Saalkreis), Horst Wessel Str. 7, bei Neumann, wohnhafte
Fräser Nikolaus K a r r ist durch Urteil des Sondergerichts bei dem Landgericht
Halle (Saale) vom 29.Februar 1944 -2a Sg. Ls24/44- als Volksschädling zu einem
Jahr drei Monaten Zuchthaus und zwei Jahren Ehrverlust verurteilt worden, weil
er in einem verdunkelten Eisenbahnabteil eine Handtasche gestohlen hat.
Quelle für die Fälle 1 bis 9: BArch Bestand R601-1468
Allerdings wurde das Urteil nicht vollstreckt, sondern der Unteroffizier Düsel wurde zu einer Bewährungstruppe versetzt. (Nähere Infos zur Einheit findet man hier) Durch die im Urteil ausgesprochene Aberkennung der Wehrwürdigkeit ergaben sich weitere Konsequenzen. Eine davon war der Verlust der Orden und Ehrenzeichen.
Die Besitzzeugnisse wurden eingezogen und dann zurück an das Oberkommando des Heeres geschickt.
Von dort aus wurden die Besitzzugnisse an das Heerespersonalamt Abteiltung P5 geschickt und entwertet.
Der in den Dokumenten genannte §32 Nr. 5 als Gesetzestext aus dem Militärstrafgesetzbuch.
Und weitere Ausführung zum Verlust der Orden und Ehrenzeichen. Hier wird der Unterschied zwischenen Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte und der Verlust der Wehrwürdigkeit und deren Konsequenzen erklärt.