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Ein Brandenburger aus Afrika

Bastian Brücker • 1. Januar 2025

Sein Werdegang von 1939 bis 1945

Es kommt nicht oft vor, dass man einen so vollständigen Nachlass eines Soldaten des Sonderverbandes Brandenburg zu sehen bekommt. Ich möchte mich vorab ausdrücklich bei Basti und Andreas bedanken, die mir nicht nur diesen Nachlass zur Verfügung gestellt haben, sondern auch mit Informationen dazu beigetragen haben, dass dieser Nachlass jetzt so präsentiert werden kann. 

Je länger man sich mit diesem Nachlass beschäftigt, desto mehr interessante Einzelheiten kommen ans Tageslicht. Gut möglich, dass sich im Laufe der Zeit noch mehr Puzzlestücke finden lassen, die ein noch detailliertes Bild des Werdegangs dieses Soldaten nachzeichnen.


Ich wurde gebeten den vollständigen Namen des Soldaten nicht zu nennen. Weshalb im weiteren Verlauf nur Walter genannt wird.


Walter wurde am 10.04.1918 in Keetmanshoop Deutsch-Südwestafrika als einer von vier Söhnen eines evangelischen Missionars geboren, schloss die Oberschule ab und absolvierte eine Ausbildung zum Tiefbau-Techniker.

Wie so viele Auslandsdeutsche, ging er nach Deutschland und erfüllte seine Arbeitspflicht beim Reichsarbeitsdienst in der Zeit vom März bis September 1938. Danach meldete er sich dann als Freiwilliger zur Wehrmacht.

 

Ab dem 17. November 1938 trat er seinen Dienst als Pionier bei der 2. Kompanie im Eisenbahn-Pionier-Regiment 68 an

(später dann Eisenbahn-Pionier-Bataillon 3) und wurde im Dezember 1939 zum Gefreiten, sowie im Juni 1940 zum Unteroffizier befördert.

Auf den folgenden Seiten ist ein erster Hinweis auf Walters Verbindung zu den Brandenburgern, die bis Kriegsende andauerte.

Wie der Auszug aus der Kriegsstammrolle zeigt wurde Walter während seiner Zeit im Eisenbahn-Pionier-Regiment 68  im Vermessungdienst ausgebildet, machte eine Kompanie- und Zugführerausbildung, sowie den Führerschein für die Wehrmachts-Kraftfahr-Klasse 1 (Motorrad) und eine Fernsprecherausbildung .


Laut dem Gefechtskalender war Walter mit Beginn des Krieges im Polenfeldzug im Einsatz.

Im Dezember 1940 kam Walter zur 4. Kompanie 1. Lehr-Regiment z.B.V. 800 „Brandenburg“. Zu dieser Zeit wurden nur Freiwillige bei den Brandenburgern angenommen.


Die nächsten interessanten Infos über Walter findet man auf Seite 23 des Soldbuches. Der Urlaub wurde am 25. Oktober 1940 vom Sonderverband Hollmann, Lehr-Regiment „Brandenburg“ z.b.V. 800 (FP-Nr. 01706) genehmigt.

Die Angehörigen dieses Sonderverbandes wurden gezielt rekrutiert (englischsprachig und/oder –kundig, militärisch speziell ausgebildet). Hollmann selbst war bereits bei der Einnahme Belgiens mit verschiedenen Kommandounternehmungen vertraut (Einsatz in belgischen Uniformen hinter feindlichen Linien). Die Ausbildung im Bergsteigen und Landen an felsigen Küsten erfolgte in Oosduinkerke. Hier eine Übersicht der Ziele die im Rahmen der Operation Seelöwe von dem Sonderverband eingenommen werden sollten, sowie die Gefechtsstärke.




Das der Einsatz in Volltarnung, also in englischen Uniformen, stattfinden sollte zeigt dieses Dokument, in dem es um die Beschaffung von englischen Uniformen und Waffen geht.




Aufgrund der Absage der Operation Seelöwe wurde auch der Sonderverband Hollmann aufgelöst und Walter wurde zu einer neuen Einheit versetzt. Gemäß Kriegsstammrollennummer wurde er am 07.07.1941 von der Stabskompanie in die 15. Kompanie versetzt. Man beachte die besonderen Ausbildungen und Kommandierungen.




Bei der Auflistung der mitgemachten Gefechte ist besonders die Abkommandierung vom 27.03.1941 bis 17.05.1941 zum Sonderverband Künsberg interessant.




Das SS-Sonderkommando "Gruppe Künsberg" ging aus dem im Oktober 1939 aufgestellten Sonderkommando Auswärtiges Amt (AA) hervor. Es hatte zentrale Bedeutung für den nationalsozialistischen Kunstraub in den von der deutschen Armee im Zweiten Weltkrieg besetzten Gebieten (1). Das Sonderkommando setzte sich aus Angehörigen des Auswärtigen Amtes, der Geheimen Feldpolizei (GFP) und des Nationalsozialistischen Kraftfahrkorps (NSKK) zusammen und stand unter der Führung des SS-Sturmbannführers Eberhard Freiherr von Künsberg. Bis Januar 1941 trug das Sonderkommando die Bezeichnung Geheime Feldpolizei-Gruppe z.b.V. Es wurde 1939/1940 zur Beschlagnahmung von politischen Akten und Kunstgegenständen in Polen, Norwegen, Belgien, den Niederlanden und Frankreich eingesetzt (2). Nach seinem Einsatz in Frankreich vom Mai 1940 bis zum Dezember 1940 wurde das Sonderkommando AA im Januar 1941 durch Angehörige der Waffen-SS verstärkt und in SS-Sonderkommando "Gruppe Künsberg" umbenannt.


Für den Einsatz auf dem Balkan ab März 1941 wurde das Kommando in sechs Gruppen gegliedert. Die erste und größte Gruppe unter der Führung von v. Künsberg wurde vom 2. März bis zum 19. Mai 1941 in Bulgarien, Jugoslawien und Griechenland eingesetzt. Ihr schlossen sich Mitte März die Gruppen 2 bis 4 an. Die fünfte Gruppe unter der Führung von SS-Hauptsturmführer Dr. Segler blieb bis zum 19. Mai 1941 in Jugoslawien stationiert (siehe Anlage 1). Vom 20. Mai bis zum 21. Juni 1941 wurde das Sonderkommando auf Kreta eingesetzt. Während des Balkanfeldzugs beschlagnahmte das Sonderkommando erstmals auch kartographisches, landeskundliches und statistisches Material (3).


Quelle: https://www.deutsche-digitale-bibliothek.de/item/AXAK6EMXICISKFCK3Y4IP7PLPBFCIAO4


Wahrscheinlich war Walter an der Beschlagnahme des Materials beteiligt.


Einsatzgebiet Jugoslawien


Nach dem Überfall auf Jugoslawien beschlagnahmte das Sonderkommando Künsberg in Belgrad eine Reihe kriegswichtiger Dokumente. Zuvor war die Luftwaffe ausdrücklich angewiesen worden, bestimmte Gebäude wie das militärgeographische Institut und das im Innenministerium untergebrachte statistische Amt nicht zu bombardieren. Am 17. April 1941 wurde umfangreiches Karten- und landeskundliches Material beschlagnahmt, darunter auch bis dahin nicht im Besitz der Wehrmacht befindliche neueste topographische Karten des Landes sowie die nicht veröffentlichten Bevölkerungsstatistiken der jugoslawischen Volkszählung von 1931.

(Quelle Wikipedia)


Wie der genehmigte Urlaub vom 12. August 1941 zeigt wurde Walter wohl zur mittlerweile aufgestellten 13. Kompanie des Lehr-Regiment-Brandenburg z.b.V 800 (FP-Nr. 45432) abkommandiert

Die 13. Kompanie war eine Tarnbezeichnung für die Tropenabteilung Brandenburg und deren erste Hälfte am 28.10.1941 von Neapel nach Tripolis verlegt wurde. Die zweite Hälfte der Kompanie diente als Nachschubkompanie. Die Abteilung hatte ihre Einsatzbasis in Neapel und bestand aus vier Kompanien und einer zusätzlichen Küstenjäger Kompanie (Kuhmann). Kommandeur dieser Einheit war Oberleutnant Fritz von Koenen.





Viele der Soldaten dieser Kompanie kamen aus Deutsch Südwest Afrika (das heutige Namibia) oder anderen afrikanischen Staaten. Sie waren entweder dort geboren, oder Söhne von Siedlern aus den ehemaligen deutschen Kolonien.


Es gibt eine zeitliche Lücke in den folgenden Aufzeichnungen. Letzter Nachweis ist der genehmigte Urlaub für den Zeitraum 14.08. bis 01.09.1941. Danach folgt der Nachweis über die Verletzung/Verwundung im Ortslazarett Derna, Libyen.

Möglicherweise war Walter einer der Soldaten, die als Teil der ersten Hälfte der Tropenkompanie nach Afrika gelangten.

Der nächste Hinweis auf seine weitere Verwendung ist eine (leider nur als Kopie vorliegende) Dienstzeitbescheinigung durch den Stab, Verband 801, Sonderverband Brandenburg (FP-Nr. 32775 K) für Restkommando, Verband 801. Sonderverband Brandenburg (FP-Nr. 02152).

Der Sonderverband Brandenburg war die Tarnbezeichnung bei der Umgliederung des Lehr-Regiments Brandenburg z.b.V. 800 zur Division. Ab dem 20. November 1942 wurde die Division offiziell nur als Sonderverband Brandenburg geführt. Die einzelnen Regimenter des Verband 801 bis 805. Die Unterstützungseinheiten jeweils mit der Nummer 800. Der Verband 801 wurde aus dem I. Bataillon des Lehr-Regiment Brandenburg z.B.V. 800 aufgestellt und bildetet ab dem 20. November 1942 selbst drei Bataillone. Die Bezeichnung „Restkommando“ lässt vermuten, dass Walter dort nur als Personal während der Umgliederung „zwischengeparkt“ war.


Was genau Walter in der Zwischenzeit genau gemacht hat ist unbekannt. Er hat sich aber eine Sprunggelenkfraktur zugezogen wie der Eintrag in der Kriegsstammrolle belegt.


17.05.42 Ortslazarett Derna, Sanitätskompanie 2/33, Lazarettkrankenbuch Nr. 1 laufende Nummer 31, Hauptverbandsplatz betrieben von der Sanitätskompanie 2/200.


21.5.42 Europ.Laz. (Ankunft im Lazarett auf dem Europäischen Kontinent nach Transport von Derna nach Sismanoglio)


21.5.42 Sankdo (Sanitätskommando) m 2/572 Laz. Sismanoglio (Griechenland) Lkb 535 v. K.L.Derna (Kriegslazarett Derna)


7.6.42 LazZug (der Transport per Lazarettzug vom Lazarett in Sismanoglio nach Wula bei Athen)


11.6.42 Kgslaz 930 Wula (bei Athen) Lkb 330 v.Laz Sismanoglion B.v. (Kürzel B.v. unbekannt)


11.6.42 Kgslaz 930 Vula (Kriegslazarett 930 in Wula bei Athen)


3.7.42 Rs.Laz XXII (Reservelazarett) b.Wien Lkb 231 v. S.St.Athen (Sammelstelle Athen)
 

Hier klafft wieder eine Lücke, und vermultich war Walter in der Zeit vom 03.07.42 bis 24.03.43 wieder in Afrika im Einsatz. Anders ist eine weitere Verwundung nicht zu erklären.


24.3.43 KriegsLaz. 950 (Tripolis) Lkb 14597 v.K.S.St.Jfax (Kriegssammelstelle)


10.4.43 Eur.Flgz. (nach Europa mit dem Flugzeug ausgeflogen)


14.4.43 Res.Laz. Landshut Lkb II/319 D'schuss li.O.Arm v.Laz.Zug


21.4.43 G.v.H. (Garnisonsverwendungsfähig) Sonderverband 29 Brandenburg

Für eine am 21.03. 1943 durch Tieflieger (handschriftlicher Vermerk auf der Urkunde) erlittene Verwundung erhielt Walter das Verwundetenabzeichen in Schwarz, ausgestellt vom Reserve Lazarett in Landshut. Interessant ist hier die (wohl aus Unkenntnis des Lazarettpersonals) falsche Einheitsbezeichnung. Ab dem 01. April 1943 war der Sonderverband Brandenburg bereits in Division Brandenburg umbenannt. Die Schreibweise 2./III suggeriert die 2. Kompanie des III. Bataillons. Aber die dritten Bataillone hatten keine 2. Kompanie, sondern wurden aus den Kompanien 9 bis 12 gebildet. Außerdem fehlt dann die eigentliche Verbandnummer. Es könnte auch das III. Bataillon des Regiments 2 „Brandenburg“ gemeint sein.




Für seinen Einsatz in Afrika wurde Walter mit Datum vom 06. Oktober 1943 das Ärmelband Afrika mit Dienstgrad Oberjäger verliehen. Oberjäger ist die Bezeichnung des Unteroffiziers bei der Jäger-, Gebirgsjäger- und Fallschirmtruppe. Die Urkunde ist ausgestellt vom Stab des III. Bataillons des Regiments 4 Brandenburg (FP-Nr. 44414) und ist unterschrieben von Friedrich von Koenen, Kommandeur der gleichnamigen Abteilung.




Die Urkunde für die Erinnerungsmedaille ist leider nicht vorhanden.


Wie diese letzte Kriegsstammrolle zeigt wechselte Walter innerhalb des 4. Regiments die Kompanie. Hier auch wieder interessant die Übersicht über die mitgemachten Gefechte wie Bekämpfung der Bandenbewegung in Serbien und Kroatien und die Abwehr an der Front südl. Klausenburg 6.Armee.



Am 30. Juni 1944 wird ihm (mittlerweile zum Feldwebel befördert) das Infanteriesturmabzeichen in Silber verliehen. Einheit war die 12. Kompanie 4. Regiment Brandenburg und unterschrieben ist die Urkunde vom Regimentsführer Major Hollmann (der gleiche Hollmann des zuvor genannten Sonderverband Hollmann). Hollmann war eigentlich Kommandeur des I. Bataillons, führte aber immer wieder das Regiment. Hauptmann/Major Koenen führte das III. Bataillon mit den Kompanien 11 bis 13.

Koenen fiel am 21. August 1944 in Visegrad, Kroatien.




Relativ schnell folgte auch die Verleihung des EK 2. Einheit diesmal die 9. Kompanie des 4. Regiments Panzergrenadier Division Brandenburg und ausgestellt durch die 20. Panzer Division mit Unterschrift von Generalleutnant Mortimer von Kessel.


Noch eine Anmerkung zur Panzergrenadier Division Brandenburg:

 

Nach Ausschaltung des militärischen Geheimdienstes im Frühjahr und Sommer 1944 gingen die Aufgaben der Abwehr auf die SS über und die bisherige Division Brandenburg wurde Heerestruppe. Am 15. September 1944 wurde die Division zur Panzergrenadier Division Brandenburg umgegliedert. Diese Umgliederung verzögerte sich da die Regimenter 1, 2 und 4 in Belgrad im Einsatz standen und sämtliche Divisionsunterstützungskräfte neu aufgestellt und ausgerüstet werden mussten. Damit lässt sich auch die Einheitsbezeichnung auf der Urkunde erklären. Das 4. Regiment Brandenburg existierte theoretisch nicht mehr seit dem 15. September 1944, stand aber nach vor im Fronteinsatz bis zu seiner Herauslösung.


Kurz vor Kriegsende wurde Walter noch das Verwundetenabzeichen in Silber verliehen. Aufgrund der handschriftlichen Bemerkung wohl wegen einer Kopfverletzung. Möglicherweise hat Walter dort auch das Ende des Krieges erlebt. Einheit war die Schw.Kp.Pz.Aufkl.Abt.“Brandenburg“. Als Dienstgrad ist diesmal Wachtmeister (Feldwebel). Eine Bezeichnung bei den ehemals berittenen Truppen (Artillerie, Kavallerie und allen daraus entstandenen Truppenteilen).



Die Panzeraufklärungsabteilung Brandenburg wurde hauptsächlich aus Resten des ehemaligen 3. Regiments Brandenburg aufgestellt. Die Aufstellung fand zunächst auf dem Truppenübungsplatz Wildflecken, später in Arys (Ostpreußen) statt.


Aufgrund von noch vorhandenen Nachkriegsdokumenten privater Art weiß man, dass Walter den Krieg überlebt hat.

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