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Wenn Orden und Ehrenzeichen, aber auch Urkunden und Ausrüstung zur Gewinnmaximierung "aufgewertet" werden.
Schaut man sich die aktuelle Entwicklung an, so könnte man meinen, dass die Nachfrage nach Militaria das aktuelle Angebot enorm übersteigt. Die großen Händler hatten eigentlich immer Ritterkreuze oder Deutsche Kreuze im Angebot und mit vorhandenen finanziellen Möglichkeiten konnte man zwischen Herstellern und Varianten frei wählen. Dies hat sich in den letzten 1-2 Jahre aber merklich geändert.
Geld scheint für einige Käufer keine Rolle zu spielen und es wird gekauft was da ist, zu Preisen die viele Sammler nur noch fassungslos staunen lässt. Es gibt dafür viele Erklärungsversuche. Angefangen davon, dass zu Corona Zeiten in Sachwerte investiert wird, die Leute weniger Geld für Konsumgüter und Reisen ausgeben, oder das solvente Käufer Militaria einfach als Spekulationsobjekte kaufen. Was jetzt genau der Grund ist, das spielt für diesen Beitrag keine Rolle. Im Endeffekt muss man sagen, die Preisspirale dreht sich immer weiter und immer höher. Es geht aber nicht darum das ich über zu hohe Preise meckern möchte. Vielmehr ist es so, dass da wo die Preise steigen die Versuchung groß ist damit auch viel Geld zu verdienen. Und meiner Meinung nach wird da kräftig nachgeholfen.
Ein Trend den man in den letzten Jahren vermehrt beobachten konnte ist die Nachfrage nach seltenen Stücken, möglichst im ungetragenen Bestzustand. Oder wie es im englischen so schön heißt „stone mint“. Waren es früher bestimmte Auszeichnungen wie z.B. Infanteriesturmabzeichen die im Fokus standen sind es jetzt alle Kampfabzeichen. Wichtig ist, dass es möglichst ungetragen und im besten Fall aus Buntmetall ist. Zinker gehen auch, aber auch diese am besten nur mit top erhaltenen Finish. Aber woher kommen all dies Stücke im Topzustand?
Es gab in der Vergangenheit immer wieder mal große Hortfunde mit sehr gut erhaltenen Abzeichen. Man denke an die mit 26 markierten Eisernen Kreuze 1. Klasse des Herstellers B.H. Mayer, den Deschler Hortfund mit den Kriegsverdienstkreuzen oder den Fund mit den FLL Abzeichen (explizit seien hier die FLL43 markierten Panzerkampfabzeichen erwähnt). Die Stücke tauchten in großen Mengen auf und können heute noch regelmäßig in Updates oder Foren gekauft werden. Viele Sammler haben sich solche Stücke in die Sammlung gelegt und die Fundumstände sind auch zweifelsfrei geklärt.
Geht man aber einmal 5-10 Jahre zurück und klammert diese Hortfunde aus, so war das Angebot an Stücken im ungetragenen Bestzustand überschaubar. Es gab immer schöne Infanteriesturmabzeichen (JFS Sets mit Tüte), schöne Verwundetenabzeichen oder Auszeichnungen der Luftwaffe und der Kriegsmarine die top erhalten waren. Aber es gab sie eben nicht in diesem Umfang wie sie aktuell angeboten werden und an diesem Punkt kommen mir halt so meine Zweifel was das Thema "Ungetragener Bestzustand" betrifft und ich glaube, dass es nicht nimmer Gold ist was da glänzt.
Mir ist es auch schon passiert, dass ich ein top erhaltenes Infanteriesturmabzeichen gekauft habe und bei genauerer Betrachtung stellte sich heraus, dass die Versilberung neuzeitlich war. Auf den mir vorliegenden Fotos war dies leider nicht zu erkennen. Die Kopien sind schon gefährlich genug, aber wenn man jetzt originale Abzeichen neu versilbert oder bronziert und das auch noch gut macht… dann wird die Luft schon verdammt dünn um das noch zu erkennen. Von Vorteil ist es dann, wenn man Fotos der Stücke hat, die zeigen was mit dem Stück was passiert ist. Da kommt es einem manchmal zu Gute, dass das Internet nichts vergisst.
Ich verlinke mal folgenden Beitrag aus dem WAF, möge sich jeder selbst sein Urteil bilden.
WAF - "bronzenes" Cupal Infanteriesturmabzeichen
Ich kannte zuerst nur die Bilder mit der Top Bronzierung und hätte das Stück für das erste bekannte bronzene Cupal Infanteriesturmabzeichen gehalten. Von der Bronzierung her hätte ich gesagt, dass es perfekt erhalten ist. Nicht wie sonst bei den silbernen Cupal Stücken die ihre Versilberung komplett verloren haben und wo man denken könnte es handelt sich um eine Bronzestufe (dabei handelt es sich nur um das Basismaterial das man sieht).
Aber unabhängig davon, ob diese Bronzierung das Ergebnis einer Behandlung mit Aceton ist (wie in dem Beitrag behauptet) oder ob diese vielleicht durch ein neu aufgebrachtes Finish entstanden ist, für viele Sammler (einschließlich mir) wäre das Stück als erste originale Bronzestufe akzeptiert worden. Es wurde sogar zwischenzeitlich auch in die Datenbank des German Combat Awards Forum aufgenommen.
Dieses Beispiel zeigt, wie schnell ein Stück gut geredet wird und wohl auch einen neuen Besitzer gefunden hat.
Ein befreundeter Sammler sagte mal zu mir: „Der Markt will "mint-Stücke", der Markt bekommt sie."
Und ich finde er hat recht. Mit "mint-Stücken", oder um bei der deutschen Bezeichnungen zu bleiben, Stücke im ungetragenen Bestzustand, lässt sich eine Menge Geld verdienen. Das sieht man nicht nur an den Preisen die von den Händlern in ihren Updates aufgerufen (und auch von Sammlern bezahlt) werden, sondern auch an den Ergebnissen einzelner Auktionshäuser.
Viele Sammler sind vielleicht „betriebsblind“ geworden und betreiben nicht mehr so viel Recherche die nötig wäre, um aufgewertete Stücke zu erkennen. Käufer die Militaria vielleicht nur als Wertanlage oder Spekulationsobjekt sehen, ist das Thema völlig unbekannt.
Sie vertrauen einfach nur blind dem, bei dem sie kaufen. Es gibt aber leider genug Leute, die Geld verdienen möchten und nicht immer redliche Absichten haben.
Ich habe im Vorfeld zu diesem Beitrag mit vielen Sammlern gesprochen. Viele teilten meine Bedenken und sehen die Entwicklung was steigende Preise für "mint-Stücke" betrifft ebenfalls sehr kritisch und sie fragen sich, wo diese ganzen Stücke in den letzten 20-30 Jahren waren? Man hat sie in der Masse wie sie jetzt auftauchen nicht bei anderen Sammlern gefunden, nicht auf Flohmärkten oder Börsen und später als das Internet immer stärker Einzug hielt, auch nicht bei Händlern oder in Foren. Mittlerweile gibt es ja sogar Händler Updates die gefühlt fast nur nur noch aus "mint-Stücken" bestehen. Der Trend wird, da bin ich sicher, weiter anhalten.
Es gibt Sammler, wo mir das Sinnbild mit den Vogel in den Sinn kommt, der den Kopf in den Sand steckt. Getreu dem Motto: Es kann nicht sein, was nicht sein darf. Viele Sammler haben über die Jahre hinweg ein kleines Vermögen für ihre Sammlung ausgegeben, und oder auch gerade für Top Stücke.
Dazu kommt, dass man ganz schnell als Nestbeschmutzer gilt, wenn man seine Bedenken vorträgt. Von wegen man möchte ein Stück nur schlechtreden, hat keine Ahnung etc. Daher werden solche Dinge auch nur selten öffentlich thematisiert, es sei denn im kleinen Kreis wo sich fast alle einig sind, dass es sehr auffällig ist wie oft in den letzten Jahren Stücke im ungetragenen Bestzustand aufgetaucht sind. Es gibt aber ein großes Problem, man kann leider nur sehr schwer eine nachträgliche Aufwertung nachweisen. Dies gelingt eigentlich nur, wenn man Fotos von dem Stück hat wie es vorher einmal ausgesehen hat.
Auf der Börse in Kassel 2019 konnte man Abzeichen finden, die in einem so perfekten Zustand waren, dass man das Gefühl hatte, die Stücke wären noch am gleichen Tag produziert worden. Die polierten Oberflächen haben so geglänzt, ein Diamant im Sonnenlicht hätte nicht heller strahlen können. Man hatte dort die Chance sich die Stücke mal in echt anzugucken und die einhellige Meinung der befreundeten Sammer mit denen ich da war: das Stück ist zu perfekt, da stimmt was nicht. Dazu noch an einem Stand, der von seinem Sortiment weit weit weg davon war Sachen im Stone-mint Segment anzubieten.
Eine spannende Diskussion um vergleichbare Stücke wie man sie auf der Börsein Kassel finden konnte gibt es hier.
Schwenkt man rüber zu den Urkunden kann man ähnliches beobachten. Dort sind es Urkunden oder Urkundengruppen die entweder aufgewertet wurden, oder komplett nachgemacht sind. Bei den aufgewerteten Urkunden sind es meist kleine originale Gruppen mit vielleicht Eisernen Kreuz, Verwundetenabzeichen, Kriegsverdienstkreuz etc. die dann um höherwertige Urkunden wie Panzervernichter, Nahkampfspange, Bandenkampfabzeichen etc. "ergänzt" werden. Es gibt leider noch genug blanko Urkundenvordrucke die für solche Sachen genutzt werden können. Die komplett nachgemachen Gruppen findet man oft mit seltenen oder gesuchten Einheiten. Sei es irgendwelche SS Einheiten, Fallschirmjäger, Namensverbände oder ähnliches. ein "schönes Highlight" war für mich eine Urkunde die vor einigen Jahren versteigert wurde. Eine Urkunde für ein Infanteriesturmabzeichen in Bronze für einen Volkssturmmann der Festung Breslau. Mehr geht nur wirklich nicht. Aber die Urkunde hat für einen hohen Preis seinen Abnehmer gefunden. Bei den Gruppen die schon seit einigen Jahren angeboten werden gibt es meist immer die gleiche Geschichte dazu. Ein Urkundensammler aus Berlin, ein Zahnarzt, löst eine Sammlung auf. Darin finden sich die vorher beschriebenen Urkunden mit seltenen und gesuchten Einheiten, aber eben auch originale Gruppen. Wer auch immer dahinter steckt, er kennt sich aus. Einheiten, Unterschriften und Datum passen meist.
Beispiele für solche Urkunden findet man im WAF
Was bei den Orden und Ehrenzeichen das Finish ist, das sind bei den Urkunden die Stempel, Unterschriften und Einheiten. Im Militaria-Fundforum gibt es einen Beitrag in dem auf Fake Stempel hingewiesen wird.
Beispiel für diese Stempel findet man im Beitrag #26
Aber auch Ausrüstung oder Uniformen werde gerne durch Stempel aufgewertet. Auch hier konnte unter anderem durch vorher / nachher Fotos die Aufwertung dokumentiert werden. Ein besonders krasser Fall wurde ebenfalls im Militaria Fundforum aufgedeckt.
Aber egal ob es sich um Orden und Ehrenzeichen handelt, Urkunden bzw. Dokumente oder Ausrüstung, das Traurige ist, es werden oft originale Stücke genommen und durch Aufbringung eines neuen Finishs, Stempeln etc. „aufgewertet“. Der Markt schluckt es und die Fälscher haben Grund genug weitere Stücke in Umlauf zu bringen.
Was also tun? Wer viel Zeit hat und die Mühe nicht scheut, sollte in alten Beiträgen in den großen Militaria Foren wie Militaria-Fundforum, Sammlergemeinschaft, Wehrmacht-Awards, German Combat Awards etc. alte Beiträge studieren und vor Kauf ruhig Bilder vom Stück der Begierde einstellen. Gerade wenn man alte Beiträge studiert, mit aktuellen Stücken vergleicht und dann bei diesen eine neue Art von Finish sieht, auffällige Stempel oder sonstige, den Wert erhöhende Merkmale, ist Vorsicht geboten. Im Zweifel immer gegen das Stück entscheiden. Nicht alles glauben was Händler oder Verkäufer schreiben, kritisch bleiben, den gesunden Menschenverstand einschalten (auch wenn es schwerfällt, wenn man ein Stück angeboten bekommt das man schon lange sucht) und den Markt beobachten. Mit der Zeit kennt man seine Spezis und bekommt ein Bauchgefühl wenn etwas nicht stimmt.
Zum Abschluss ein schönes Beispiel wie schnell und gut man ein Verwundetenabzeichen neu versilbern kann. Dieses Stück ist mir von einem Sammlerkollegen zur Verfügung gestellt worden und wurde "auf die Schnelle" neu versilbert. Einfach nur um es mal auszuprobieren und ohne unlautere Absichten oder dergleichen. Das Ganze hat keine 10 Minuten gedauert. Danach wurde das Stück noch mehrere Monate der Witterung ausgesetzt. Das Ergebnis ist schon verblüffend und beängstigend zugleich. Ich bin mir sicher, von den Fotos her würden viele Sammler das Stück durchwinken. Man stelle sich vor man hat unlautere Absichten, probiert ein wenig herum und schafft es das Finish noch zu verbessern.
Links das Stück mit dem original Finish. Rechts mit neuer Versilberung und künstlicher Patina.