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Grundlagenforschung

Bastian Brücker • 17. Oktober 2021

Quellen, Vorgehensweise und Bewertung

In diesem Beitrag geht es um das Thema Grundlagenforschung. Wieso und warum diese so wichtig ist, welche Quellen es gibt und welche persönlichen Schlussfolgerungen ich aus all dem für mich gezogen habe.

Ich möchte anhand einiger persönlicher Beispiele aufzeigen, wie ich selbst bei der Recherche vorgehe und welche Archive, Hilfsmittel ich nutze. Meine Hauptthemen sind Hersteller von Orden und Ehrenzeichen, die Orden und Ehrenzeichen selbst, der Themenkomplex Präsidialkanzlei, Heerespersonalamt und die LDO.


Angefangen hat alles mit einer Diskussion im Wehrmacht Awards Forum (WAF) welcher Hersteller sich hinter dem ÜÜ-Logo verbirgt.

https://www.wehrmacht-awards.com/forums/forum/wehrmacht-era-militaria/heer-ss-war-and-qualification-badges/114034-who-is-wernstein/page6?t=114230&highlight=uu

Ich fand die Diskussion sehr spannend, habe mich jedoch gefragt, warum sich keiner mit den Firmen selbst beschäftigt hat. Es klingt sehr banal und einfach (und oft ist es auch so), aber ich habe mir einfach mal die Firma Wiedmann vorgenommen und geguckt wo diese ihren Firmensitz hatte. In Frankfurt am Main. Daraufhin habe ich im Jahr 2007 das Stadtarchiv der Stadt Frankfurt angeschrieben und die Anfrage gestellt ob über diese Firma vielleicht noch Unterlagen existieren. Zu meiner Überraschung bekam ich recht schnell eine Rückmeldung, dass im Bestand des Archives etwas gefunden wurde und ich es gegen eine Kostenerstattung von 9,25 Euro gerne per Kopie bestellen könnte. Da der Betrag nicht gerade groß war habe ich die Bestände angefordert. Wenige Tage später hatte ich die entsprechenden Unterlagen im Briefkasten. Bei durchblättern der ersten Unterlagen machte sich erst Enttäuschung breit. Nichts zum Thema ÜÜ Logo. Vielleicht war ÜÜ ja doch nicht das Logo der Firma Wiedmann? Es gab Fragebögen der Stadt aus dem Jahr 1955 zur Gesichte der Firma, Zeitungsausschnitte zum Jubiläum der Firma bzw. über den Geburtstag des Firmeninhabers. Aber die letzten Seiten hatten es in sich, eine Festzeitschrift zum 75. Jubiläum der Firma. Mit Logo, mit Fotos des Firmengründers, der Firma selbst, Innenansichten etc. Bingo – Volltreffer. Der Rest ist Geschichte.

Was ich an diesem Beispiel verdeutlichen möchte, es ist nicht schwer etwas zu finden. Es hat sich zum damaligen Zeitpunkt (und davor) nur niemand wirklich auf die Suche gemacht. Die Archive sind voll mit interessanten Unterlagen, sie müssen nur entdeckt werden. Zum Glück haben sich immer mehr Sammler auch der Forschung veschrieben und es ist in den letzten Jahren einiges an Bewegung in die Sache gekommen.

Ein weiteres Beispiel war eine Diskussion im Militaria Fundforum um Verwundetenabzeichen aus Plastik. Einhelliger Tenor war, dass es so etwas nie gegeben hat. Warum ud wieso wurde nicht groß hinterfragt. Wie so oft sollte man bei bestimmten Themen einfach mal nachfragen woher diese Infos stammen. NIcht selten kommt dann eher wenig oder gar nichts. Über Dietrich März bekam ich Unterlagen der Präsidialkanzlei zum Thema Verwundetenabzeichen. Und nach Sichtung der Unterlagen war klar, es gab zwar keine Verwundetenabzeichen aus Plastik, aber es wurden zu Testzwecken welche aus einer Spritzgussmasse (Trolitol) gefertigt und es gab auch Verwundetenabzeichen aus Stoff. Der Bestand war sehr umfangreich und enthielt noch eine Menge weiterer interessanter Informationen. Ich bekam einen Einblick wie damals gearbeitet wurde, wie die Bestellabläufe waren, wie Firmen sich um die Herstellung bzw. Aufträge beworben habe, wie Materialeinsatz geplant wurde, welchen Stellenwert Orden und Ehrenzeichen hatten, wie penibel man auf Einhaltung der Vorschriften erpicht war, offizielle Herstellungsvorschriften für die verschiedenen Stufen des Verwundetenabzeichens (wodurch man auch eine zeitliche Einordnung der Stücke vornehmen konnte) etc.

Kurzum, diese zeitgenössischen Dokumente waren wie eine Schatzkammer mit der man viele Mythen und Unklarheiten beseitigen konnte. Durch diese Unterlagen wurde ich quasi angefixt weiter zu forschen und ich habe mir selbst Unterlagen im Bundesarchiv bestellt bzw. war vor Ort um Einsicht in die Unterlagen zu nehmen. Diese zeitgenössischen Unterlagen haben in einem nicht unerheblichen Umfang meine Denkweise zum Themen Orden und Ehrenzeichen beeinflusst.

Das Bundesarchiv

 

Der weitaus größte Teil meiner Unterlagen die ich habestammen aus dem Bundesarchiv. Über die Seite des Bundesarchivs kann man mitHilfe von „invenio“ in den digitalisierten Beständen des Bundesarchivsrecherchieren. Ich muss allerdings gestehen, dass „invenio“ und ich nie Freundegeworden sind was die Benutzung betrifft. Ich finde die Benutzerfreundlichkeit… um esvorsichtig zu formulieren… gewöhnungsbedürftig. Es gibt aber auch noch eine Menge an Unterlagen die noch nicht erfasstwurden. Von daher lohnt es sich in regelmäßigen Abständen immer wieder mal eineSuchanfrage zu starten oder direkt das Bundesarchiv anzufragen. Es gibtBestände die recht eindeutig das Thema Orden und Ehrenzeichen behandeln, z.B.wenn es um die Anschlussmedaillen, das Verwundetenabzeichen etc. geht.

 

Mit die besten Treffer hatte ich aber in Beständen, die aufdem ersten Blick eher unspektakulär erschienen. So habe ich z.B. in dem Bestand zur UK-Stellung von Mitarbeiterneiner Firma für Nadelsysteme eineAuflistung gefunden, für welche Firmen Nadelsysteme geliefert wurden, und auch fürwelche Auszeichnungen (Deutsches Kreuz, Eisernes Kreuz, Verwundetenabzeichenetc.).

 

Die Mitarbeiter im Bundesarchiv sind immer sehr hilfsbereitgewesen und haben auch bei den Besuchen vor Ort tatkräftig unterstützt oderHilfestellung gegeben in welchen Beständen vielleicht auch noch weitereInformationen enthalten sein könnten. Dies gilt für alle drei Standorte. Egalob in Berlin, Koblenz oder Freiburg, es wurde einem stehts geholfen.

 

Da im Bundesarchiv die Unterlagen militärischerDienststellen als auch der Präsidialkanzlei lagern, kann man dort sehr viel zumThema Verleihungsvorschriften, administrative Vorgänge, Bestellungen und auchHerstellungsvorschriften finden. Ich sag mal so, es gibt viel zur Software, jedoch zurHardware, also den Orden selbst, findet man nichts. Zumindest habe ich keineHardware bei meinen Besuchen zu Gesicht bekommen. Nur alles was in irgendeinerForm schriftlich erhalten geblieben ist. Ob im Bundesarchiv auch Orden undEhrenzeichen selbst vorrätig sind konnte ich bisher noch nicht in Erfahrungbringen, habe aber auch noch nie deshalb angefragt.

 

Vielfach muss man selbst vor Ort Einsicht in die Unterlagennehmen, weil die Mitarbeiter es gar nicht leisten können jede Anfrage bis insDetail zu beantworten oder gar Recherchedienste zu übernehmen. Ist man sichseiner Sache sicher kann man „blind“ bestellen. Ich empfehle aber einen Besuchvor Ort, auch um herauszufinden wie groß die Bestände sind. Diese können nureinige Schreiben umfassen, oder aber mehrere Meter Akten enthalten, was sich inden Kosten für Kopien in einem nicht unerheblichen Umfang bemerkbar machenkann.

 

Das Bundesarchiv (egal welcher Standort) ist immereine Reise wert. Das Problem ist nur die Menge an Akten bzw. man muss Glückhaben den richtigen Bestand zu erwischen bzw. man wird Sachen finden die manzwar nicht auf der Agenda hatte, aber wieder völlig neue Erkenntnisse liefernoder zu weiteren Nachforschungen führen.

Viele Bestände gibt es nur als Mikrofilme. Das ist zwar praktisch, weil man so mehrere tausende von Seiten sich angucken kann, aber zum anfordern vonKopienist es eher schlecht. Ich habe es immer so gemacht, dass ich den ganzen Film mir habe kopieren lassen und mir dann eine Firma gesucht habe, die aus diesen Filmen einzelne Bilder macht. Kostet zwar, aber es hat sich gelohnt. Vielleicht gibt es mittlerweile auch die Möglichkeit direkt die Filme als Scan per DVD zu bekommen. Dies weiß ich aber nicht, da ich schon länger nichts mehr im Bundesarchiv angefordert habe. Aber eine Nachfrage wäre es sicherlich wert.

Die fertigen Bilddateien habe ich dann katalogisiert und verschlagwortet. Es ist zwar eine Menge Arbeit tausende von Seiten zu lesen, zu erfassen und mit Stichworten zu versehen, ist dies aber einmal erledigt hat man eine super Übersicht über seine Bestände und kann schnell nach Stichpunkten oder Schlagworten suchen.

Wer wirklich tiefer in die Materie Aktenbestände einsteigen will und deren Geschichte dahinter, dem kann ich nur das Buch von Astrid M.Eckert empfehlen. Aus dem Vorwort:

Dieses Buch behandelt die Rückgabeverhandlungen über beschlagnahmtes deutsches Archivgut nach dem Zweiten Weltkrieg. Hunderte von Tonnen an Schriftgut aus den Registraturen und Archiven der Reichsministerien, militärischen Stellen und Parteiorganisatoren waren bei Kriegsende in alliierte Hände gefallen...

Zeitzeugen und Nachfahren

Um es direkt auf den Punkt zu bringen…es gibt sie kaum noch. Oft habe ich zu hören bekommen: „Wären sie mal 30 Jahre eher gekommen, da haben die Leute von damals noch gelebt und hätten all ihre Fragen beantworten können.“ Nichts desto Trotz bekommt man über die Nachfahren oft auch noch interessante Informationen. Gerade bei den Ordensherstellern habe ich oft einfach Google bemüht. Den Nachnamen eingegeben, den Ort und dann einfach mal die Leute angerufen die mir vorgeschlagen wurden. Vor allem wenn es alte Vornamen waren stieg die Chance vielleicht einen direkten Nachfahren zu ermitteln. Die Reaktionen waren völlig unterschiedlich. Von einem einfach nein, über interessierte Rückfragen bis hin zu Volltreffern war alles dabei. Man darf aber nicht zu viel erwarten, meist wurden bereits vorhandene Informationen bestätigt, teilweise erhielt man interessante Anekdoten. Insbesondere Hr. Assmann möchte ich an dieser Stelle besonders erwähnen, der mich zu sich nach Hause einlud und versuchte mir alle meine Fragen zu beantworten. Ein weiteres Highlight war der Kontakt zur Nachfahrin eines Firmeninhabers dessen Firma Nadelsysteme für Orden und Ehrenzeichen hergestellt hat. Zusammen mit einem Sammlerfreund konnte sämtliche Korrespondenz der Nachkriegsjahre gesichert werden, Mustertafeln, Nadelsysteme etc. Solche Treffer sind natürlich selten, aber sie sind das Salz in der Suppe. Ebenfalls sehr interessant war ein Besuch bei einem Ordenshersteller im Osten der Republik. Es war schon ein Erlebnis einmal durch die Hallen zu wandern wo die Orden hergestellt wurden die man selbst bei sich zu Hause in der Vitrine liegen hat.

Was den Kontakt mit Zeitzeugen und auch Firmen aber erschwert, sind die unzähligen Anfragen von Sammlern nach Restbeständen von Orden und Ehrenzeichen. Dies wurde mir auch mehrfach bei meinen Nachforschungen so bestätigt. Man muss dann erstmal „einen Fuß in die Tür bekommen“ und die Zeit um zu erklären, dass es einem eben nicht um Restbestände geht, sondern um Fragen zur Firmengeschichte, Angaben zur Betriebs- und Geschäftsausstattung, ob es noch Fotos der Firma oder der damaligen Inhaber gibt, Verkaufskataloge, Schriftwechsel zum Themen Orden und Ehrenzeichen etc. Klar hätte ich nicht nein gesagt, wenn mich jemand gefragt hätte ob ich den Stapel Ritterkreuze haben möchte die seit Kriegsende im Keller vor sich hingammeln. Aber meine Intention war halt immer eine andere.

Stadtarchive

Man sollte nicht unterschätzen wie viele Informationen teilweise noch in Stadtarchiven lagern. Ein sehr schönes Beispiel ist das Stadtarchiv Lüdenscheid. Da Lüdenscheid eine Hochburg der Ordensproduktion im 2. WK war und die Stadt nicht bombardiert wurde ist eine Menge erhalten geblieben.

In Pforzheim sieht die Lage dagegen wieder anders aus. Durch den schweren Bombenangriff am 23. Februar 1945 sind so gut wie alle zeitgenössischen Unterlagen zerstört worden.

In Gablonz gibt es nicht mehr all zu viele Unteralgen im Archiv selbst, im Kreisarchiv sieht es dagegen schon wieder etwas besser aus. Allerdings ist durch die Vertreibung nach 1945 auch dort vieles für immer verloren gegangen.

Wie immer gilt: Fragen kostet nichts.

Generell sind Stadtarchive für mich immer der erste Anlaufpunkt wenn ich Informationen über eine Firma suche. Da die Stadtarchive auch oft mit den örtlichen Heimatvereinen zusammenarbeiten ergeben sich darüber hinaus auch weitere Ansatzpunkte.

Landesarchive der Bundesländer

Bei den Landesarchiven kann man auch immer wieder etwas über Firmen finden die zu Kriegszeiten Orden hergestellt haben. Man findet dort aber auch Unterlagen für Verkaufsgenehmigungen für Orden und Ehrenzeichen, Erlasse, Stiftungsverordnungen etc. Sehr interessant sind auch die Entnazifizierungsunterlagen. Hier muss man wissen wer der Inhaber der Firma war und dann gezielt nach dieser Person suchen. In den Unterlagen finden sich oft Angaben zur Geschichte der Firma, der Personen, dem Fertigungsprogramm etc. Im Osten waren es die Verfahren zur Enteignung der Betriebe, die viele Angaben liefern (Bilanzen, Inventuren, Firmengeschichte, Aufschlüsselung für welche nationalsozialistischen Formationen oder die Wehrmacht was gefertigt wurde).

Wirtschaftsarchive und Verbände

Hier liegt der Fokus auch auf den Firmen wie der Name vermuten lässt. Nicht selten findet man dort Firmengeschichten oder aber auch Hinweise wie z.B. auf das Lüdenscheider Knopfkartell, Unterlagen zum Wiederaufbau nach Kriegsende, Einsatz von Fremd- und Zwangsarbeitern oder Rundschreiben verschiedener Verbände und Anordnungen der Behörden zum Bezug von Material für die Produktion. Auch wenn diese Themen vielleicht mit Orden und Ehrenzeichen erst einmal nicht im direkten Bezug stehen so können sie dennoch wichtige Informationen liefern. Als Beispiel möchte ich den Verband Deutscher Metallhändler e.V. anführen dessen Archiv einen sehr interessanten Bericht zum Thema Metallbewirtschaftung enthält. Einen Auszug davon gibt es weiter unten zu sehen.

Das russische Sonderarchiv

Hier findet man viele Dokumente die entweder von russischen Truppen bei deren Vormarsch erbeutet wurden, oder Akten die nach der Kapitulation in russische Hände gelangten. Lange waren diese Dokumente nicht zugänglich, aber das „DEUTSCH-RUSSISCHES PROJEKT ZUR DIGITALISIERUNG DEUTSCHER DOKUMENTE IN ARCHIVEN DER RUSSISCHEN FÖDERATION“ stellt nach und nach alle Bestände in digitaler Form kostenlos zur Verfügung.

https://wwii.germandocsinrussia.org/de/nodes/1-fond-500

Der Fokus liegt sicherlich eher auf militärische Akten, aber gut möglich das man auch dort fündig werden könnte was den Bezug von Orden und Ehrenzeichen entweder über die Präsidialkanzlei oder die einzelnen Ämter betrifft.

NARA – National Arcives and Records Administration, USA

Viele der Unterlagen aus dem Bundesarchiv stammen aus Rückführungen aus den USA die nach Ende des Krieges beschlagnahmt wurden. Ich habe über befreundete Sammlerkollegen einige NARA-Rollen bekommen, aber selbst nie dort gesucht oder bestellt. Aber die Bestände sind sehr umfangreich und ich meine sie unterliegen auch keinem Copyright und sind frei zugänglich.

Wie wirkt sich die Grundlagenforschung aus?


Ich kann nur für mich sprechen, aber meine Sicht auf die Dinge hat sich grundlegend dahingehend verändert, dass ich zwar viel gelesen und herausgefunden habe, aber im Grunde genommen mehr Fragen habe als vorher. Ich werde gleich noch verdeutlichen warum ich mit vielen Annahmen bzw. Thesen die in verschiedenen Militaria Foren immer wieder auftauchen nicht mitgehen kann. Ich gebe aber auch zu, dass ich teilweise einen eher rigorosen Ansatz verfolge und viele Aussagen für einfach nicht belastbar halte. Es wird mir zu schnell etwas behauptet, aber wenn man dann ein mal nachfragt, wie denn dieses oder jenes sein könnte, dann kommt da leider meist nur sehr wenig substanzielles und vieles bleibt im Reich der Vermutungen oder Unterstellungen. Dies ist ja per se nicht schlimm. Wenn es keine Unterlagen, überprüfbare Belege etc. gibt, dann muss man Vermutungen anstellen, Theorien entwickeln etc. Leider werden aus diesen Vermutungen und Theorien (abhängig davon wer sie vorträgt) sehr schnell Fakten. Es wurde dann öfters aus: Dies könnte ein Stück des Herstellers XY sein… ein: Das ist ein Stück des Herstellers XY. Ich finde es weniger interessant zu wissen von wem ein Stück gefertigt wurde, ich finde es viel interessanter herauszufinden welche Firmen eine bestimmte Auszeichnung überhaupt hergestellt haben. Für viele Sammler ist dies aber nicht wichtig. Oft zählt nur die Frage nach den Hersteller und der Seltenheit (Marktwert).

Sehr gerne werden Stücke die zweifelhaft sind als besondere Variante, Ausnahme von der Regel etc. bezeichnet. Leider wird eine solche Ausnahme so oft benutzt, das man glauben könnte die Ausnahme war eher die Regel. Für fast alles gibt es schöne Erklärungen (Juweliersanfertigung, Frontfertigung etc.), fragt man nach worauf sich diese Informationen stützen kommt da meist nicht viel. Schön ist auch die Umkehr der Beweislast. Ich sage der Mond besteht aus grünen Käse, wenn dem nicht so ist, dann beweise mir da Gegenteil. Man kann dann Dokumente zeigen, spielt alles keine Rolle, es werden immer wieder neue Erklärungen gebracht, aber selten mit überprüfbaren Belegen untermauert. Dies ist auch der Grund warum ich aktuell wenig Lust verspüre mich an Diskussionen in Foren zu beteiligen. Man verspürt schon eine gewisse Resignation, wenn man eine Menge Zeit und Geld investiert um Grundlagenforschung zu betreiben, um dann in Diskussionen zu erleben das solche Infos eigentlich gar nicht gewünscht sind.

Es wird schnell etwas behauptet ohne sich der Konsequenzen bewusst zu sein bzw. es wird einfach ausgeblendet wie das überhaupt möglich sein soll. Es heißt die EK 1 von Godet wären identisch mit denen von Zimmermann. Vergleicht man diese Stücke, so ist nach einhelliger Meinung der EK Experten klar, dass diese Stücke aus ein der gleiche Stanze stammen müssen. Soweit so gut. Aber die Schlussfolgerung das Zimmermann für Godet gefertigt hat teile ich nicht. Denn wenn man sich mal überlegt was dies bedeutet dann stellen sich nur einige Fragen die man dann auch beantworten muss, sondern es werden auch ein paar Grundannahmen einfach so getroffen.

  • Da die Stücke eine Präsidialkanzleinummer aufweisen muss es sich um Stücke handeln die von Seiten der Präsidialkanzlei bestellt wurden.
  • Jede Firma die einen staatlichen Auftrag erhalten hat, konnte z.b. bei der entsprechenden Wirtschaftsgruppe das entsprechende Material anfordern, über Materialbezugsscheine oder über eine Bestätigung der Bestellung von der Präsidialkanzlei.

  • Wie soll die Firma Zimmermann an das Material für den Auftrag für Godet gekommen sein? Es ist bisher kein Fall bekannt (weitere Forschungen mögen das Gegenteil beweisen) das solche Materialbezugsscheine überschrieben werden konnten.

  • Warum sollte eine Firma aus Berlin in Stuttgart fertigen lassen? Im besten Fall hätte Zimmermann das Material irgendwie bekommen können, hätte dann die Stücke produziert und markiert, und diese dann nach Berlin verschickt.

  • Wenn man dann weiß das es für die Orden feste Abnahmepreise gab dann macht es für Godet wenig Sinn den Auftrag nach Stuttgart zu vergeben, man müsste vom Abnahmepreis an die Präsidialkanzlei die Produktionskosten von Zimmermann abrechnen und auch noch die Versandkosten. Die Gewinnmarge dürfte sehr gering gewesen sein. Da wäre eine Fremdvergabe an eine Firma in Berlin einfacher und sinnvoller gewesen. Und es ist ja nich so das es leistungsfähige Firmen in Berlin nicht gegeben hätte.

  • Warum sollte Godet das überhaupt machen? Godet war immerhin selbst Hersteller von Orden und Ehrenzeichen.

  • Stichwort Qualitätskontrolle. Die Präsidialkanzleinummern wurden ja auch deshalb eingeführt um die Stücke einzelnen Herstellern zuordnen zu können, um so bei Qualitätsmängeln direkt den Hersteller zu identifizieren. Wären die mit 21 markierten Eisernen Kreuze fehlerhaft hätte Godet dafür den Kopf hinhalten müssen. Was hätte Godet getan? Sorry, das sind gar nicht unsere Kreuze, die kommen von Zimmermann aus Stuttgart… das würde doch das ganze System der Herstellermarkierungen ab absurdum führen.

Das sind nur ein paar Fragen die sich aus der Aussage das Zimmermann für Godet gefertigt hat ableiten. Und wenn man der Meinung ist das dies so wäre, dann muss man aber auch schlüssig die aufgeführten Fragen beantworten können.

Der Grund warum die Stücke von Zimmermann und Godet die gleichen Fertigungsmerkmale aufweisen könnte eigentlich nur darin liegen, dass sie vom gleichen Prägewerkzeug stammen. Nur kann keiner sagen ob Godet dieses hatte und an Zimmermann verkauft oder vielleicht umgekehrt, oder gar eine dritte Firma mit im Spiel hatte. Was genau der Grund für die Gleichheit der Eisernen Kreuze ist wird sich aktuell nicht beantworten lassen ohne weitere Belege. Das aber eine Firma für andere Firmen Prägewerkzeuge hergestellt, ist ausreichend durch Dokumente belegt. Ebenso der Verleih von Prägewerkzeugen.

Ich will an diesem Beispiel nur verdeutlichen das es nicht so einfach ist wie es vielleicht aussieht. Thema wie Materialbewirtschaftung, Materialbezugsscheine, Einsatzgewichte, Auftragsvergaben, wie wurden Aufträge für Kampfabzeichen vergeben, an welche militärische Dienststelle wurden diese geliefert, sind alle Firmen bekannt die Orden und Ehrenzeichen hergestellt haben, welche Zusammenarbeit gab es zwischen den Firmen (Arbeits- und Liefergemeinschaften), das sind alles Themenkomplexe bei denen noch sehr viel geforscht werden muss und es viel zu entdecken gibt. Auch die LDO Unterlagen (wenn sie denn gefunden und veröffentlich werden) dürfen noch so manche Überraschung beinhalten.

Es wird auch oft gesagt, dass es zu Beginn des Krieges keine Kontigentierung des Materials gab bzw. es kein Problem war an Material für die Herstellung zu kommen. Dies ist falsch. Es gab schon vor Kriegsbeginn eine Verbrauchssteuerung. Auch die Einführung von Metallanforderungsscheinen war anscheinend schon lange vor Kriegsbeginn gängige Praxis wie dieses Schreiben zeigt.

Quelle: Sonderdruck aus "Metallwirtschaft" XVII, Heft 44, S. 1175-1180, Nov. 1938
E. Wieprecht, Berlin "Die Bewirtschaftungsmaßnahmen der Überwachungsstelle für Metalle"

Fazit

Grundlagenforschung ist essentiell um überhaupt erstmal das System zu verstehen und das Spielfeld einzugrenzen in dem man sich bewegt. Welche Vorschriften gab es, wie wurde gearbeitet, wie war die damalige Denkweise (Stichwort Stellenwert von Orden und Ehrenzeichen) und noch viele Fragen mehr.

Darauf aufbauend kann man dann bestimmte Sachverhalte bewerten und abschätzen. Guckt man sich die Orden selbst an, dann geht es auch hier um die Grundlagen. Prägetechniken, verwendete Materialien gilt es zu erforschen. Hilfreich sind dazu z.B. Bücher aus den späten 40er und frühen 50er die vielfach noch auf die Techniken der Kriegsjahre aufbauen oder sogar gleich geblieben sind. So kann man erklären wie eine galvanische Versilberung zur damaligen Zeit funktionierte. Oder man kann ausschließen, dass Stücke vor 1945 gefertigt sein können weil eine bestimmte Herstellungsmethode erst ab den 1950er aufkam, dass Frosting der EK 2 Rahmen nach Kriegsende nicht mehr machbar war, da die Chemikalien dafür mittlerweile verboten wurden da sie krebserregend sind. Oder bei Urkunden, wenn die verwendete Schriftart z.B. erst nach 1945 erfunden wurde. Das Prinzip ist also immer gleich.

Natürlich gibt es bei der Menge an Orden und Ehrenzeichen und auch verliehenen Urkunden immer wieder Stücke die aus der Reihe fallen. Sei es das die Qualität nicht stimmt, die Vorschrift missachtet wurde etc. Aber das muss dann jeder für sich selbst bewerten wie er damit umgeht. Für einen Großteil der Sachen kann man aber von einem gewissen Standard ausgehen.

Die Grundlagenforschung ist auch ein wenig Detektiv spielen und Schatzsuche. Wo könnte man was finden, welche Querverbindungen gibt es, was kann man ausschließen? Welches Archiv könnte noch interessante Unterlagen haben? Dazu braucht man noch an der ein oder anderen Stelle ein bisschen Glück. Aber ich kann für mich nur sagen das sich der Aufwand lohnt.

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